Die Kulturgeschichte des Karneval

Geschichte
Der Karneval hat eine alte Geschichte, die wahrscheinlich so alt ist wie die Menschheit selbst. Denn ursprünglich findet im Karneval, in der Fastnacht und in ähnlichen saturnalischen Bräuchen eine Umkehrung der Werte statt: Was sonst oben ist, gerät nach unten und umgekehrt, was sonst verboten ist, ist erlaubt.

Das zu erleben ist offenbar gelegentlich die Sehnsucht aller Menschen. So hatte man im Mittelalter seinen Spaß daran, in den tollen Tagen vor der Fastenzeit in der Kirche zu tanzen oder einem Esel eine Bischofsmütze aufzusetzen, mit Fäkalien herumzuwerfen und auch sonst Dinge zu sagen und zu tun, die man anständigerweise nicht erwähnt. Heute ist die Lage eine andere. Zunächst hat die Reformation die Fastenzeit abgeschafft, worauf die Notwendigkeit entfiel, vorher noch mal so richtig zu prassen. Dann hat sich die einstmals strenge gesellschaftliche Ordnung mehr und mehr gelockert, ein festes Oben, das man kippen könnte, existiert nicht mehr. Und zuletzt hat das (Unterschichten-)Fernsehen dafür gesorgt, dass obszönes Reden, pointenloses Witzemachen und grölendes Lachen alltäglich wurden. Heute ist jeden Tag Karneval.

Daher ist der rheinische Karneval auch etwas ganz anderes: nämlich eine gewaltige, gut organisierte Branche, die, ähnlich wie die Urlaubsindustrie, in jeder Saison vom 11.11. bis Aschermittwoch hunderttausenden von Menschen Vergnügen anbietet und tausenden ein gutes Einkommen beschert. Der bekannteste Karneval in Nordrhein-Westfalen ist der von Köln, dicht gefolgt vom Düsseldorfer. Aber es gibt auch den von Eschweiler, Bonn, Aachen, Mönchengladbach und Neuss, ja selbst die Westfalen feiern Karneval. Oder versuchen es zumindest: In Dortmund gehört der Geierabend zum festen Programm. Und sogar in Münster gibt es einen Rosenmontagszug.

In Köln heißt der Karneval Fasteleer oder Fastelovend, der Narrenruf lautet „Kölle Alaaf!“ Organisiert werden die vielen hundert Aktivitäten der Saison von einem Festkomitee der Kölner Karnevalsgesellschaften, die auch das sog. Dreigestirn wählen: Prinz, Bauer und Jungfrau. Ab Weiberfastnacht beginnt der Straßenkarneval; vorher trifft man sich im Rahmen der Vereine zu Sitzungen in Sälen, aber kostümiert. Jetzt beginnen die Umzüge; manche sagen, die Kölner „Schull- un Veedelszöch“ (also die Karnevalsumzüge der Schulen und Viertel) seien die schönsten. Aber der wichtigste ist sicher der „Zoch“ am Rosenmontag, der älteste und größte in Deutschland überhaupt, den jährlich bis zu eine Million Menschen am Straßenrand mitfeiern. So an die 150 Tonnen Bonbons und anderes Material, Kamelle genannt, werden dann von den Wagen in die Menge geworfen. Den Karneval in Köln muss man entweder mitmachen (und dann kann die Teilnahme zu einem rauschhaften Erlebnis in vielfältiger Form eskalieren) oder vor ihm weglaufen, was nicht wenige Kölner tun – durchs Stadtgebiet toben während der tollen Tage allein 50 Umzüge. Und Tag und Nacht sind die Straßen voll von singenden, saufenden, schunkelnden Jecken.

Auch im Düsseldorfer Karneval bildet der Rosenmontagszug den Höhepunkt der fünften Jahreszeit, nur dass hier der Schlachtruf „Helau!“ lautet. Und das Organisationsgremium in der Landeshauptstadt nennt sich, etwas feiner als in Köln, Comitee Düsseldorfer Carneval. Wie es überhaupt während der Karnevalstage hier weniger deftig zugeht als in der Domstadt. Hat sich in Köln die eher kabarettistisch angelegte Stunksitzung zum Höhepunkt des alternativen Karnevals entwickelt, so ist der „Tuntenlauf“ am Karnevalssamstag zum zweiten Gipfel des Düsseldorfer Karnevals avanciert. Der erste Rosenmontagszug wurde übrigens 1823 in Köln organisiert, als Wiederbelebung der uralten Straßenfastnacht; er wurde zum Vorbild für andere Städte. In den Kriegen gab es meist keinen Zug; auch nicht während des Golfkriegs 1991.

Mehr Kultur aus NRW mit unserem Newsletter

Kulturkenner patternKulturkenner pattern