Es sind bewegende Schicksale, die das Jüdische Museum Westfalen über seine Ausstellungsstücke aufgreift: Ein alter Teddybär erzählt die Geschichte eines jüdischen Mädchens, das mit dem Kindertransport nach England fliehen konnte und somit den Holocaust überlebte. Eine Besamindose steht für den Wunsch einer jüdischen Familie, ihr Hab und Gut vor den Nazis zu retten. Sie vergrub das wertvolle Gewürzgefäß 1940 in der Erde, um es vor Raub und Zerstörung zu schützen. Erst mehrere Jahre später gelangte es durch Überlebende der Shoa wieder ans Tageslicht.
Wer von außen auf das rote Gründerzeitgebäude am Südwall blickt, das von einem Anbau mit Klinkerfassade aus teilweise geborstenen Ziegeln und goldenem Schriftzug umrahmt ist, der ahnt kaum, welche Schätze sich hier im Innern verbergen. Denn das Museum zählt – trotz seines guten Renommees – noch zu den Geheimtipps. Es geht auf die Forschergruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ zurück, die sich in den 1980er-Jahren zusammenschloss, um regionalgeschichtliche Forschungen anzustellen. Daraus entstand 1987 ein Verein, der den Aufbau eines Dokumentationszentrums als Ziel hatte. 1992 konnte die Kulturstätte im Zentrum Dorstens eröffnen. Mehrere Erweiterungen folgten über die Jahre.
Heute thematisiert die interaktive Dauerausstellung insgesamt 16 jüdische Lebenswege anschaulich, die mit der Region und ihren Bewohnern zusammenhängen. Die Eindrücke reichen von rührend und nachdenklich bis hin zu erbaulich und Mut stiftend. Darüber hinaus können Besuchende auf der rund 300 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche mehr über die jüdische Geschichte und das Judentum an sich erfahren.
Welche Bedeutung nimmt die Tora in der Religion und Kultur ein? Was genau ist eine Menora und wie sieht das hebräische Alphabet aus? Diese und weitere Fragen klärt das Museum anhand von Exponaten, historischen Fotos und Dokumenten. Auf einem spiralförmigen Tisch können Gäste den jüdischen Kalender und seine Feiertage wie Chanukka und Pessach kennenlernen. Wegschilder im Hof der Einrichtung, die aus verschiedenen Städten in Westfalen stammen, deuten auf das vielfältige jüdische Leben in der Region hin. Das Auge streift über Straßennamen wie „Platz der Synagoge“, „Synagogenstraße“ oder „Am Judenberg“. Im Anbau des Museums entdecken Wissbegierige zudem eine Bibliothek, in der das gewonnene Wissen mit jüdischer Literatur, Forschungs- und Tagebüchern sowie Zeitungsartikeln vertieft werden kann. Sonderausstellungen zu regionalen Themen, berühmten Persönlichkeiten und Symboliken ergänzen das facettenreiche Programm.
Unsere Ausflugstipps: Für kultur- und religionsinteressierte Reisende bietet sich nach einer Visite des Jüdischen Museums Westfalen noch ein Abstecher zum Ikonen-Museum Recklinghausen an. Es ist das bedeutendste seiner Art in Westeuropa und besitzt mit rund 4000 Ausstellungsobjekten die größte Sammlung außerhalb der orthodoxen Länder. Dabei sind Ikonen, Goldstickereien, Miniaturen, Holz- und Metallarbeiten aus der Zeit zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert.
Ein anderer Anlaufpunkt könnte das Wasserschloss Lembeck in Dorsten sein. Es liegt nur wenige Fahrtminuten entfernt und überzeugt durch seine außergewöhnliche Architektur, barocke Schönheit und Lage mitten im Grünen. Das hauseigene Museum eignet sich bei einer Tour über das Gelände ideal, um der spannenden Schlossgeschichte nachzuspüren.