Als sein Schauspieler-Vorbild nennt Joachim Król den zwanzig Jahre älteren Briten Sir Anthony Hopkins. Vom Typ her kann das verwundern, weil zwischen dem aristokratischen Gentleman und dem 1957 in Herne geborenen Bergmannssohn mit polnischen Vorfahren kaum Ähnlichkeit besteht. Methodisch kommt man der Sache schon näher: Das Unauffällige und Zurückhaltende der Darstellung, die Reduzierung auf wenige Gesten, sparsame Mimik und die Absicht, einen Charakter über geringfügigste Bewegungen des Gesichts auszudrücken, schaffen die Verbindung.
Król wirkt pfiffig oder auch listig, sein Blick kann sich nach innen wenden, sein Schmunzeln scheint versonnen. Die Melancholie des Weltverstehens umgibt ihn. Auf gewisse Weise ist Król die Weiterentwicklung Rühmann’scher Gemütsverfassung. Dass er 1996 in Nico Hofmanns Neuverfilmung des Dürrenmatt-Stoffes „Es geschah am hellichten Tag“ dessen Rolle als pensionierter Kommissar übernommen hat, mag als Beleg für diese Nähe gelten.
Króls Biografie könnte aus einem Sönke-Wortmann-Film, gemischt aus „Kleine Haie“ und „Das Wunder von Bern“, stammen: Kindheit im Pott, Spaß auf dem Fußballplatz, parallel zum Studium der Theaterwissenschaft in Köln, das Betreiben einer Kneipe in Dortmund, anschließend Ausbildung zum Schauspieler an der Münchner Falckenberg-Schule. Nach Bühnen-Stationen u.a. in Moers, Bochum, Hannover und Basel konzentriert sich Król auf die Arbeit für Film und Fernsehen. Für das ZDF ermittelte er ein paar Jahre als „Lutter“ in Essen und brachte dafür die besten Revier-Eigenschaften mit: Verlässlichkeit, Eigenwillen, Herz und Sinn fürs Reelle. Als Frankfurter "Tatort"-Kommissar Frank Steier überschritt er die eigene Schmerzgrenze.
Der zweimalige Deutsche Filmpreis-Gewinner Król hat komisches Talent – damit wurde er populär. 1994 brachte er an der Seite von Til Schweiger, Katja Riemann und Armin Rohde in Wortmanns Ralf-König-Comic-Adaption „Der bewegte Mann“ als treuherziger Schwuler die Nation zum Lachen, unter anderem mit der Schwank-Nummer „Nackter Fremder im Kleiderschrank“. Aber deftig-derber Humor bleibt seinem Spiel und Naturell eher fremd. Joachim Król ist normal, aber nicht bieder, ist nicht hemdsärmelig, sondern zugeknöpft. Dass so unterschiedliche Regie-Temperamente wie Helmut Dietl („Rossini“), Doris Dörrie, Detlev Buck und Tom Tykwer („Die tödliche Maria“; „Lola rennt“, „Der Krieger und die Kaiserin“) ihn schätzen, zeigt auch, wie sehr diese – keineswegs blasse – Charakterfarbe dem deutschen Kino ansonsten fehlt.
Król, der mit seiner Familie in Köln lebt, bereitet sich minutiös auf seine Rollen vor, körperlich und mental – man sieht es ihnen an. Er kann schrullig sein, aber er kann auch anders. Wie zum Beweis spielte er 2004 in dem auch international beachteten Thriller „Lautlos“ den Auftragskiller Victor mit einer physischen Präsenz, meditativen Ruhe und untergründig kühlen Bestimmtheit, die man so nicht erwartet hatte. Ebenso 2020 in Burhan Qurbanis Neuverfilmung von "Berlin Alexanderplatz", darin er den sinistre, still gefährlichen Pums darstellte.