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Tim Behren hat das CircusDanceFestival in Köln erfunden. Wozu braucht es ein solches Format? Ein Gespräch über Zirkus ohne Tiere und Menschen, die mit dem Risiko spielen.
Zirkus kann so vieles sein: Löwen, die durch einen brennenden Reifen springen, Akrobatik, Clownerie, Illusionstheater à la André Heller und Roncalli. Später kam der Begriff Neuer Zirkus auf, Mitte der 1990er-Jahre der zeitgenössische Zirkus mit avantgardistischen Tendenzen. Was ist nun CircusDance?
T.B. :
Ich sehe die Kunstformen zeitgenössischer Zirkus und Tanz nah beieinander. Diese Verbindung steht im Fokus des Festivals. Es geht um Bewegung und um den Körper. Bei den Zirkusformen kommt die Fokussierung auf Objekte dazu. Der Tanz arbeitet vor allem in der Horizontalen, und der Zirkus eröffnet die Vertikale, den Luftraum. Akrobat*innen denken in anderen Kategorien: Was können wir gemeinsam ermöglichen, wo lässt sich klettern, wie können wir uns tragen, werfen, fangen? Das Spiel mit dem Risiko ist ein weiterer Faktor. Zirkus hat etwas Raues für mich. Im Tanz dagegen geht es um Details, um Nuancen. Hier verbinden sich die Rauheit des Zirkus' und die Feinheit des Tanzes. Es ist ein Vermischen der jeweiligen Perspektiven auf Raum und Körper.
Was war Ihr erstes Zirkuserlebnis?
T.B.:
Als ich mit zwölf Jahren den Kinder- und Jugendzirkus in meiner Heimatstadt Tübingen entdeckte, ging es direkt in den Spiel- und Trainingsraum und dann auf die Zeltbühne. In Deutschland gibt es sehr viele zirkuspädagogische Zentren und Jugendzirkusse.
Welche Ausbildung haben Sie durchlaufen?
T.B.:
Ich war fasziniert von experimentellen Zirkus-Formen und ihrer Nähe zu Tanz, Theater und Performance. Deshalb ging ich auf die Zirkushochschule nach Brüssel. Dort bin ich mit der Spezialisierung Partnerakrobatik ausgebildet worden, als festes Duo mit meinem langjährigen Arbeitspartner Florian Patschovsky. Gemeinsam haben wir die Kompanie Overhead Project in Köln gegründet. Unsere Nachbarländer sind uns bei der Entwicklung im zeitgenössischen Zirkus um etwa fünfzig Jahre voraus. Nach zehn Jahren auf der Bühne habe ich mich weiter spezialisiert auf Zirkusdramaturgie am Centre National des Arts du Cirque in Châlons-en-Champagne – „dramaturgie circassienne“. Anschließend noch auf „Kuratieren in den Darstellenden Künsten“ an der Paris Lodron Universität in Salzburg.
Sie haben das erste CircusDanceFestival auf die Beine gestellt. Was hat Sie motiviert?
T.B.:
Ich schätze mich überaus glücklich, dass das CircusDanceFestival 2019 als Tanz-Pakt Stadt-Land-Bund Projekt ausgewählt wurde. Es ist damit an seinem Standort Köln zu einem bundesweiten Leuchtturmprojekt geworden, das einerseits aktuelle künstlerischen Entwicklungen im Zeitgenössischen Zirkus in Verbindung mit dem Tanz sichtbar macht und andererseits auf das strukturelle Entwicklungspotential in Deutschland hinweist.
Was ist das Besondere an dem Festivalgelände am Rheinufer?
T.B.:
Es ist ein besonderer Ort in Köln, im linksrheinischen Norden, direkt unterhalb des Axa-Hochhauses. Mit dem Fahrrad kann man sich vom Hauptbahnhof oder sogar aus der Südstadt einfach dem Rhein entlang in den Norden rollen lassen. Auf dem Festivalgelände werden drei Zirkuszelte indoor bespielt, es gibt eine 360-Grad-Outdoor-Bühne und das Naturamphitheater. Dazu ein abendliches Open-Air-Kino mit Silent-Sound-Kopfhörern.