„Höhlenblick“ ins Neandertal: Auf in den multimedialen Erlebnisturm

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Die „Fundstelle“ war bisher im Neandertal eine eher vage Ortsbezeichnung. Rot-weiße Mess-Stäbe zeigten an, wo Archäologen im Jahr 2000 letzte Überreste des Neandertalers fanden. Seine Grabstelle war aber dort nie. Mit den Missverständnissen ist jetzt Schluss. Ein 22 Meter hoher Turm führt es nun zweifelsfrei vor Augen: Wer oben auf dem Plateau, unter der riesigen Replik der Schädelkalotte steht, befindet sich an der Fundstelle. Mit dem „Höhlenblick“ ist das Neanderthal Museum nun um eine Attraktion reicher.

Bis jetzt gab es für die Mitarbeiter des Neanderthal Museums einiges zu erklären. Das Gebäude steht nicht dort, wo 1856 Arbeiter beim Kalkabbruch die Knochen eines Steinzeitmenschen gefunden haben. Erst nach einem fünfminütigen Spaziergang vom Museum aus betreten Besucher*innen die Wiese, auf der einige Quadratmeter auffällig markiert sind. Hatten die Kalkarbeiter hier einst eine der wichtigsten Entdeckungen zur Erklärung der menschlichen Entwicklung aus dem Boden gegraben? Nein, so war es nicht.

Zum Verständnis, wie das Tal der Düssel wirklich aussah, zu Lebzeiten des Neandertalers vor etwa 40.000 Jahren und zum Zeitpunkt des Fundes beim Kalkabbau Mitte des 19. Jahrhunderts, ist viel Vorstellungskraft nötig. „Dieser Fels ist der letzte Rest eines etwa 50 Meter hohen Felsmassivs“, erklärt Museumsdirektorin Bärbel Auffermann bei einem Rundgang und zeigt auf den einige Meter hohen, steil aufragenden Felsen am Eingang zum schlauchartig angelegten Fundstellengelände. Hier, direkt an der Mettmanner Straße, kündet ein massives Schild aus den 1950er-Jahren von dem bedeutenden Fund.

Eine künstlerische Installation auffälliger Vermessungsstäbe gab bisher den stärksten sichtbaren Hinweis auf den Fundort. Hier haben Archäolog*innen in den Jahren 1997 und 2000, bei einer der letzten aufwändigen Suchaktionen, Knochen gefunden, auch das Jochbein, das genau zur 1856 gefundenen Schädelkalotte passt. Wie die Überreste dorthin kamen, erklärt Auffermann anschaulich: Die Arbeiter hätten den lehmigen Boden der Höhle bei den Kalkabbau-Arbeiten 1856 aus der Höhle geschaufelt. 20 Meter tiefer in der eiszeitlichen Schlucht blieb die lehmige Masse bis ins Jahr 2000 liegen. Dann wurde systematisch durchsucht.

Feldhofer Grotte hieß diese Höhle im Kalksteinmassiv, in der die Arbeitenden 1856 die Knochen fanden. Sie war nur eine von vielen damals sehr bekannten Höhlen in dem Feldmassiv der Gegend. Beliebt war dieses urwilde Tal mit schroffem Felsen und dichtem Wald auch bei den Künstlern der Düsseldorfer Malerschule, deren Bilder in den Düsseldorfer Museen bis heute staunen lassen über die damals vorzufindende Natur. Doch der Kalkbedarf der Industrie, zum Beispiel der Eisenhütten im Ruhrgebiet, machte vor den Höhlen nicht halt. Das Felsmassiv wurde im Tal der Düssel fast vollständig abgebaut.

Jetzt ist der Blick aus der Höhle wieder möglich. Der 22 Meter hohe Turm, der „Höhlenblick“, ist das neue Wahrzeichen des Neandertals. Über eine etwa 360 Meter lange Rampe, gesäumt mit einigen Informationstafeln zur Geschichte des Ortes, kommen die Besucher*innen dem verschwundenen Fundort immer näher. Oben auf dem Turmplateau, unter der sechs Tonnen schweren, fünfzigfach vergrößerten Replik der Schädelkalotte – farbig gestaltet wie das gefundene Original – ist dann der Blick zu genießen, den auch die Neandertaler hatten, als sie ihren verstorbenen Zeitgenossen vor etwa 40 000 Jahren in einer Begräbniszeremonie zu seiner sehr lange währenden Ruhe betteten.

Heute ist der Aufenthalt dort oben sehr gegenwärtig. Virtual-Reality-Fernrohre geben den Blick auf die bewaldeten Nachbarhügel frei. Über die eingebauten Monitore bieten sie aber auch Einblick in die Lebensweise der Urmenschen an dieser Stelle. Daneben zeigen Filme, die über Bewegungssensoren und feste Startpunkte auf dem Turm ausgelöst werden, Lebensweise und Jagdverhalten der Urmenschen. Tonspuren machen Zeitzeugen des Tals hörbar, und auch über QR-Codes für das eigene Handy kann Interessantes ins Jetzt geladen werden. Auch die 16 gefundenen Knochen werden als Repliken hier ausgestellt.

Was die Macher*innen vom Neanderthal Museum besonders freut, ist die aus der Höhe nun besonders gut sichtbare Geschichte des Tals. Beim Rundumblick sind die Dimensionen, die Ebenen und die scharfen Abbruchkanten der abgebauten Kalkfelsen von oben sehr gut zu erkennen. Wo und wie er hier gelebt hat, wo seine Weggefährt*innen ihn bestattet haben und wo man ihn letztlich gefunden hat, können sich die Gäste nun endlich besser vorstellen.

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