Düsseldorf und Heinrich Heine, Deutschland und Heinrich Heine, die Germanistik und Heinrich Heine – alles keine einfache Beziehung. Der Dichter der "Loreley", des "Buchs der Lieder" und des "Wintermärchens" ist einer der größten Lyriker deutscher Sprache – und deutscher getaufter Jude, der in Paris gestorben ist.
Obwohl gefeiert als Klassiker und – neben Goethe – Verfasser der schönsten Gedichte deutscher Sprache, ist er nicht zur Ruhe gekommen. Heinrich Heine passt in keine Schublade. Man kriegt ihn nicht zu packen. Denn Heine ist ein irritierender Widerspruch, als Dichter wie als Mensch. Das Vieldeutige macht ihn reizvoll. Manch einem, nicht nur dem Spießbürger scheint er fragwürdig: populär und verfemt, berühmt und berüchtigt, sentimental und ironisch, Weltbürger und „vaterlandsloser Gesell“, Nachtigall und Pfau, Fabelkönig der deutschen Romantik, Prophet und Volkstribun.
Heine, der Jude aus der Bolker Straße in Düsseldorf, wo er am 13. Dezember 1797 geboren wurde, starb als getaufter Protestant in Paris und hat eine Grabstelle auf dem katholischen Teil des Montmartre-Friedhofs. Alles in allem also ein wundersam unsicherer Kantonist. Lange war das Verhältnis des offiziellen Deutschland und seiner Heimatstadt zu ihrem ‚Sohn’ gestört. Es brauchte lange, bis in Düsseldorf die Universität den Namen Heinrich Heine erhielt, bis sein Geburtshaus angemessen umgewandelt wurde – heute ist im Heine-Haus eine literarische Buchhandlung daheim.
Heine-Institut, Heine-Preis, Heine-Gabe, Heine-Gesellschaft lassen ihren Namenspatron weltweit ausstrahlen. Heine ist zunächst der Poet des innig volkstümlichen Tons, für den die „Loreley“ steht mit ihren unsterblichen Versen. Aber er ist ebenso der Spötter und ironische Deutsche, der seine Heimat in einem traurigen "Wintermärchen" bereiste. Er ist der Liebeskranke und Lazarus, der „aus meinen großen Schmerzen die kleinen Lieder macht“ und auf ewig die „Venus Dolorosa“ anbetet; und er ist der politisch aufgeklärte Kopf, der mit Pathos, Parodie und Pamphlet im Dienst der Menschheit arbeitet. Heine ist ichbezogen und leidenschaftlich engagiert, hoch bezahlter Schriftsteller (1,3 Millionen wurden bis zu seinem Tod am 17. Februar 1856 bilanziert) und gleichzeitig von der Zensur bedrohter Flüchtling.
Dann wieder tritt er uns als Bittsteller und armer Schlucker entgegen, abhängig vom reichen Onkel Salomon in Hamburg, von einer französischen Staatspension und Aktien-Geschäften. Heine verkehrt nonchalant auf den Boulevards und im luxuriösen Salon des Baron Rothschild. In seinen berühmten „Schlesischen Webern“ verflucht Heine das falsche Vaterland, er fordert den Himmel auf Erden für die Armen und Deklassierten und fürchtet den Kommunismus. Die „Wunde Heine“, die Adorno vor Jahrzehnten noch diagnostiziert hat, mag sich geschlossen haben, das Rätsel Heine aber bleibt. Dem Himmel sei Dank.