Eine Szene wie im TV-Krimi: Es ist düster und die Musik hämmert unheilvoll, als Daniel Ernesto Mueller unförmige Dellen unter dem Tanzteppich entdeckt. Dellen, groß genug, um eine Kinderleiche darunter zu verbergen. Sorgfältig zieht der Performer die Klebebänder vom Boden ab und greift darunter. Luftballons holt er hervor. Nichts als bunte Luftballons. Typisch Hartmannmueller: In ihrem absurden Universum zwischen Horrorkabinett und Illusionstheater treiben sie, wie hier in „Du bist nicht allein“, ihr abgedrehtes Spiel mit dem Publikum.
Seit 2011 sorgt das Performance-Duo in der Tanzszene NRWs für schrill-schöne Akzente. 2015 gab es den Förderpreis der Stadt Düsseldorf im Bereich der Darstellenden Kunst. 2021 bis 2023 erhält es nun erstmals die Spitzenförderung des Landes. Hoch verdient – denn die Arbeiten bestechen durch exzellentes Handwerk, überbordenden Spieltrieb und aktuelle Fragestellungen.
Der autonome Kosmos des Duos lädt stets ein zu Balanceakten, denn Simon Hartmann und Daniel Ernesto Mueller bewegen sich immer an Grenzen. Ob suggestive Grusel- und Gewalt-Szenarien, die sich in Harmonie auflösen, schriller Klamauk mit literarischem Überbau oder Musik, die dem Zuschauer körperlich zusetzen kann – es ist nur ein Schritt bis zur rohen Brutalität, zur Beklemmung oder zur Albernheit. Immer aber bieten Hartmannmueller exzellente Unterhaltung, meist ausgestattet im Stil der Pop-Kultur der 70er/80er Jahre.
Die beiden sind Kinder jener Zeit. 2006 lernten sie sich kennen an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Seitdem sind sie ein unzertrennliches Künstler-Paar. Wer einen der beiden für ein Stück haben wollte, fragte beide. Auf Umwegen und recht spät für eine Tänzerkarriere kamen sie nach Essen. Geboren 1980 in Hessen als Sohn einer Mexikanerin und eines Deutschen, studierte Mueller Mathe, Sport und Deutsch auf Lehramt in Frankfurt am Main, bevor er mit 26 Jahren seine Tanzausbildung begann. Er ist der extrovertierte Macher des Duos. „Ich fühle gerne stark, ich rieche gerne stark, ich höre gerne stark“, sagt er über sich selbst. Er ist es auch, der die extremen Ideen einbringt. Nach einer Ausbildung zum Sterbebegleiter war das Thema Tod plötzlich in den Stücken präsent. Nachdem er und sein Lebenspartner, der Choreograf Ben J. Riepe, gemeinsam ein zweijähriges Pflegekind angenommen hatten, sah man den ausgebildeten Grundschullehrer Mueller mit Papp-Krone und einem Müllsack um die Hüften als Schleppe. Bei einem Nonsens-Wortschwall entwickelt er aus der Silbe „ma“ eine großartige Mamma-Nummer. In allen Tonlagen und Rhythmen ruft er nach der imaginären Mutter und entwickelt sich dabei selbst zum Aufmerksamkeit heischenden Kind.
Simon Hartmann dagegen, geboren 1984 in Pforzheim als jüngstes von sechs Kindern, hat gelernt, sich zurückzunehmen. Seinen Weg zum Tanz ebnete der Pantomime-Lehrer in der Waldorfschule. Er empfahl Hartmann die Desmond Jones School of Mime; Physical Theatre in London. Und dort trat das junge Talent erstmals in Kontakt mit Tanz und Performance, war fasziniert davon, Bewegung zu formen und zu manipulieren. Dort wurde ihm klar, dass er als Tänzer auf die Bühne will. Und dort wurde auch ein Großteil der künstlerischen Mittel von Hartmannmueller angelegt. Wer den jüngeren Part des Duos in „My saturday went pretty well until I realized it was monday“ gesehen hat, staunte über dessen Pantomimekunst. Als schmieriger Entertainer sitzt er am Keyboard und grimassiert im Takt der Rhythmusmaschine – bis er innehält und todernst ins Publikum schaut. Überhaupt das Publikum, es ist für die beiden ein eigenständiges Wesen, das sie mit auf ihre Reise nehmen wollen. Das geschieht auch schon mal mithilfe von Himbeerduft oder Gletschereis-Bonbons.
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