Eigentlich wirkt es, als sei es schon immer so gewesen. Dieser uralte Altenberger Dom, daneben der Teich am Waldsaum, weitere Jahrhunderte alte Gebäude zwischen idyllischem Grün. Aber so einfach macht es uns der Fachmann nicht. Das hier sei „eine typische Tallage für die Zisterzienser“, und vieles sei von Menschen erst gemacht, sagt ein Kulturlandschafts-Historiker des Landschaftsverbands Rheinland, als es im Dezember 2024 gilt, die Verleihung des Kulturerbe-Siegels zu feiern. Aber ist das Jahr 1133 nicht eigentlich „schon immer“?
Sie müssen jedenfalls viel gearbeitet haben, die Ordensmänner, die wir uns anders vorstellen sollten als heutige Klosterbewohner. 13 junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren haben laut historischer Dokumente den Anfang gemacht. Sie haben die Abteikirche gebaut und die Landschaft verändert. Haben Bachläufe verlegt, Fischteiche ausgehoben, Acker- und Obstbau betrieben und Vieh gezüchtet. Aber, aber! Die Zisterzienser durften doch kein Fleisch essen, entgegnen jetzt „Der Name der Rose“-Fachleute. Richtig. Aber Fisch sehr wohl, und mit dem Vieh trieben sie Handel über ein weitverzweigtes Netzwerk.
Über den „Altenberger Hof“ in Köln-Nippes zum Beispiel, heute ein Bürgerzentrum, wurden die Waren vertrieben. In der „Einöde“ leben und arbeiten, dabei nicht weit weg von Handelswegen wie dem Rhein, mit einem Vertriebsnetz in die damaligen Metropolen, das war das Netzwerk der Zisterzienser. Dabei verkehrten nicht nur Waren, sondern das Wissen gleich mit. Aufgrund dieser europaweiten Vernetzung – sozusagen als Wegbereiter der europäischen Einigung – gab es von der Europäischen Kommission die große Anerkennung für insgesamt 17 Klosterlandschaften in fünf Ländern.
Auf Einladung der Grafen von Berg – ihren ehemaligen Einflussbereich nennen wir heute daher das „Bergische Land“ – waren sie Anfang des 12. Jahrhunderts aus der Champagne die 393 Kilometer vom französischen Mutter-Kloster Morimond hierhergekommen. Diesen wohl wirklich „schon immer“ ruhigen Ort hatten sie für ihr weitgehend zurückgezogenes „Ora et Labora“ auserkoren. Weit strahlen und prahlen wollten und durften sie dagegen nicht.
Und so unterscheidet die fast gleichzeitig gebauten Dome, Altenberg und seinen großen Bruder in Köln, neben der Größe – der 76 Meter lange Altenberger passt ins Kölner Querschiff – vor allem eins: die Türme. Im Bergischen wird gar nicht erst versucht, aus der Tallage heraus weithin sichtbar zu werden. Die Vorschriften dieses kontemplativen Ordens sieht die Konzentration auf das Wesentliche vor, das Einfache, auch im Baustil. Ebenso wie es der Ordensprominente, der Heilige Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert propagierte. Protzig ist der Kirchenbau daher nicht, sondern in seiner enormen gotischen Schlichtheit schön. Verziert mit bodenständigen Säulenkapitellen in Form von Hahnenfuß, Efeu und ähnlichem heimischem Gewächs aus dem Klostergarten. Luxuriös und durchaus im Gegensatz zum „Less is More“-Prinzip zu sehen wurden die Fenster ausgestattet und mit einer Grisaille-Technik hergestellt. Sie sollten mit ihrem Licht- und Schattenspiel den dritten Vorsatz neben dem Gebet und der Arbeit unterstützen: die Meditation. Die Muster der Wein-, Ahorn- und anderer Blätter auf den reich verzierten Originalgläsern aus dem 14. Jahrhundert zaubern eine phantastische Stimmung in den Innenraum. Es sind die größten Fenster in einem Kirchenbau nördlich der Alpen. Vor allem das 8 mal 18 Meter große Westfenster, das zu den größten erhaltenen Kirchenfenstern des Mittelalters zählt, erhellt den, wie man heute weiß, weiß getünchten Dom wie wohl keinen Zweiten.
Heute wird ihm nach und nach das Weiß wiedergegeben, nach Jahrhunderten mit dunklerer Wandfarbe. Und da ist noch eine Besonderheit – auf ganz anderem Gebiet. „In Altenberg ist alles doppelt“, umschreibt es die Domführerin. Eigentlich erzkatholisch auf Basis des Zisterzienserordens, erinnerten sich die protestantischen Preußenherrscher im 19. Jahrhundert an die Grablege ihrer Ahnin Sibylle von Brandenburg, durch Heirat zur Herzogin von Jülich und Berg geworden, im Altenberger Dom. Sie bauten den damals heruntergekommenen Dom wieder auf und einigten sich mit den Katholiken auf eine Zwitter-Lösung: Seitdem teilen sich Protestanten und Katholiken das Gotteshaus strikt nach Zeiten. Es gibt also den katholischen Pfarrer, Küster und Organist ebenso wie die evangelische Pfarrerin, den Küster und Organist.
Heute ist rund um den Dom ein touristisches Kleinod entstanden, ein sehr nettes Ausflugsziel für einen Tag. Mit Wanderwegen rund um den Dom, einem weithin bekannten Märchenwald samt Wasserorgel und ausreichend Gastronomie- und Hotelbetten-Angeboten sowie einer modernen Jugendbildungsstätte des Erzbistums Köln. Und wem der 13 Kilometer lange Klosterlandschaftsweg angesichts der übergreifenden Bedeutung der Zisterzienser zu kurz ist, findet auf dem Gelände auch das Einstiegsportal für den transnationalen Wanderweg zum Netzwerk „Cisterscapes“. Er führt immerhin über rund 6300 Kilometer durch sechs Länder.