Ensemble Musikfabrik

Musik
Das Ensemble Musikfabrik bringt Neue Musik auf die Bühne – ungewöhnlich, basisdemokratisch und unbedingt hörenswert.

Im großen Saal der Waschkaue auf PACT Zollverein hängen auf dunkler Bühne Metallrahmen im Hintergrund. Nur ab und zu von schwachem Licht aus der Dunkelheit geholt, erscheinen darin rätselhafte Gegenstände: Figuren wie in einer Spieluhr, ein hölzerner Arm, ein Blumenbukett, eine Schreibmaschine, eine Büste. Wenn Licht auf die Dinge fällt, beginnen sie sich wie von Geisterhand zu bewegen. Ein Wachskopf schmilzt unter einem Heizstrahler davon. Das geheimnisvolle Eigenleben der Dinge in Essen ist nicht Teil einer Tanzperformance, sondern des Konzertes "Situations". Seit 2011 veranstaltet das Ensemble Montagskonzerte in seinem eigenen Studio in Köln, seit einem Jahr sind die Musiker*innen am Sonntag davor in Essen zu Gast. 

Das 1990 gegründete Ensemble ist in vieler Hinsicht einzigartig. Weltweit gehört es zu den führenden Spezialisten für zeitgenössische Musik. Ihr Spezialgebiet: Uraufführungen und die enge Zusammenarbeit mit Komponisten. Etwa mit Mauricio Kagel. Oder Karlheinz Stockhausen, dessen zwei seiner wichtigsten Uraufführungen das Ensemble posthum aufführte: "Klang – Die 24 Stunden des Tages" und die erste szenische Realisation von "SONNTAG aus LICHT". Aus der jüngeren Komponistengeneration arbeitet vor allem Enno Poppe immer wieder mit dem Ensemble zusammen. 

Musik
Im Porträt: der Komponist Enno Poppe

Das Ensemble Musikfabrik hat seine Räume im Kölner Mediapark. Als Landesensemble erhält es eine Förderung, die aber lediglich die Kosten für die Infrastruktur abdeckt. Die 15 Musiker*innen sind anders als bei kommunalen Orchestern nicht fest angestellt und leben ausschließlich von den Aufführungsgagen. Für eine solche eher unsichere Lebenssituation entscheidet sich nur, wer tatsächlich an die Musik und die außerordentliche Bedeutung des Ensembles glaubt.

Ungewöhnlich ist: Im Ensemble wird basisdemokratisch entschieden. Zwar gibt es einen gewählten dreiköpfigen Vorstand und einen Intendanten, zentrale Entscheidungen werden aber im Plenum getroffen. Das hohe Maß an organisatorischer wie auch künstlerischer Eigenverantwortung zeigt sich deutlich an den Kölner Montags- und den Essener Sonntagskonzerten, deren Programme jeweils von einem Emsemblemitglied kuratiert werden. So war etwa das Programm "Grenzgänge" der Violinistin Hannah Weirich entstanden. Ihr Ausgangspunkt war die Sonate für Violine und Klavier, die Maurice Ravel zwischen 1923 und 1927 komponierte. Ein zentrales Werk, in dem sie Spuren zu Liedern von Schubert entdeckte, aber auch zu dem Stück »Nebensonnen« von Lisa Streich aus dem Jahr 2015. Ergänzt wurde das Ganze durch eine neue Komposition von Eivind Buene.

Warum aber ist das Ensemble ausgerechnet auf PACT zu Gast? Dessen Namensakronym steht schließlich etwas umständlich für "Performing Arts Choreographisches Zentrum NRW Tanzlandschaft Ruhr" – Musik gehört da also eigentlich nicht zum Kerngeschäft. Es ist das Experimentelle, dass die Musiker*innen nach Essen führt. Nicht immer sind die Konzerte so aufwendig, wie bei den "Situations", das der Kontrabassist Florentine Ginot kuratierte. Aber alle Konzerte gehen weit über das reine Instrument hinaus, Multimedialität und Performance gehören immer dazu.

Ich weiß selbst oft nicht, was auf uns und die Technik zukommt, wenn die Musiker anrücken."
Stefan Hilterhaus, künstlerischer Leiter von PACT

Das Performative gehört eben zur DNA des Ensembles. Allein die enge Verbundenheit mit dem Werk von Mauricio Kagel legt das nahe. Wie kaum ein anderer suchte der gebürtige Argentinier, der ab 1969 in Köln lehrte, und den Ruf der Stadt als Metropole der Neuen Musik mitprägte, die Erweiterung der musikalischen Formen. Die Entwicklung des "Instrumentalen Theaters" geht zu einem guten Maß auf sein Konto. Gestik und Mimik der Musiker*innen, Bewegungen und Beziehungen im Raum, sowie Aktionen, in denen das akustische Ergebnis genauso wichtig sind wie dessen Erzeugung, wurden zu einem Markenzeichen. Wie etwa in "Match für drei Spieler" von 1964, in dem sich zwei Cellos wie auf dem Tennisplatz gegenüberstehen und die Bälle hin- und herspielen, während das Schlagwerk die Schiedsrichterrolle übernimmt. 

Text
Honke Rambow

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