Im Porträt: Die Musikerin und Regisseurin Maria Trautmann

BühneMusik
Ein altes Industriegebäude am Bochumer Imbuschplatz. Früher ein Verwaltungssitz der Eisenhütte, ist die so genannte „KoFabrik“ mit ihren Ateliers und Werkstätten heute ein Ort für kreative Menschen und Ideen. Auch die Künstler*innen der Initiative „Junge Bühne Bochum“ haben zwei Räume in dem historischen Bau gemietet. Maria Trautmann kommt fast jeden Tag in die KoFabrik.

Für die Junge Bühne kümmert sie sich um die Büroarbeit. Und sie „probiert“ für ihr neues Projekt, das sie mit Hilfe des „Auf geht’s Stipendiums“ finanzieren konnte. Dafür experimentiert sie mit Prinzipien des Improvisationstheaters. „Mach eine Bewegung, die du noch nie vorher gemacht hast“, sagt sie zu Schauspielerin und Performerin Lea Kallmeier, mit der sie viele Nachmittage in der KoFabrik verbringt. Lea reagiert mit wilden Schritten, ihr Mund zuckt, ihre Hände greifen in die Luft.

Was am Ende bei ihren Theaterexperimenten herauskommt, ist völlig offen. Mal sind es vorsichtige Raumerkundungen, die an Meditationsübungen erinnern. Mal sind es ungestüme Tänze oder frei improvisierte Texte. Als Regisseurin gibt Maria lediglich bestimmte Motive, Wörter oder Lieder vor. „Strukturierte Freiheit“, nennt sie das. Im Moment steckt ihr Projekt noch in der Recherchephase. Ab dem 19. November wird es im Maschinenhaus Essen zu sehen sein - Arbeitstitel: „Dysfunktionieren“.

Marias Liebe für die Improvisation kommt von der Jazzmusik. Als Posaunistin spielt sie in mehreren Bands mit ganz unterschiedlichen Sounds: Bei „Wir hatten was mit Björn“ treffen raue Pop-Melodien und Elektro-Klänge auf glasklaren Gesang und sentimentale Gefühle. Das Duo „Hilde“ ist kammermusikalisch angehaucht, hört sich aber oft stürmisch und manchmal folkloristisch an. Die Kombo „Unwetter“ beschreibt Maria als „kleine rhythmische Posaunenmaschine“. Und während der Lockdowns hat sie mit Kolleg*innen aus der Jazz-Kombo „The Dorf“ besondere Orte zum Klingen gebracht – von der Bushaltestelle in Bochum bis zur Schurenbachhalde in Essen. Mitten auf der alten Bergehalde über den Dächern des Ruhrgebiets waren da plötzlich schräge Posaunentöne statt Vogelgezwitscher und Stimmengemurmel zu hören.

„Völlig unromantisch“ war ihr Weg in die professionelle Musikszene, sagt Maria. Schon während der Schulzeit spielte die gebürtige Berlinerin Posaune. Erst im Orchester ihres Gymnasiums, später in kleinen Nachwuchsbands. Wenn sie nicht selber als Posaunistin auf der Bühne stand, besuchte sie Jazz-Sessions und unzählige Konzerte. So kam sie mit frei improvisierter Musik in Berührung, bei der auf Notenblätter weitestgehend verzichtet wird.

Ab 2011 studierte Maria Jazz-Posaune an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Dort tauchte sie tief in die experimentelle Musikszene ab. Gleichzeitig knüpfte sie erste Kontakte zum Theater.

Durch mein Studium ist mir klar geworden, wie gerne ich eigentlich mit Texten arbeite. Die Musik allein reicht nicht immer aus.
Maria Trautmann

Gemeinsam mit Kommiliton*innen aus Schauspiel und Physical Theatre entwickelte sie interdisziplinäre Bühnenprojekte. Auch ihre Abschlusspräsentation war kein reines Jazzkonzert, sondern ein musikalischer Theaterabend.

Nach ihrem Studium ging es für Maria in beiden Welten weiter. Sie übernahm die Musikalische Leitung bei „Schulen in Bewegung“, einer Initiative für Kinder und Jugendliche am Schauspielhaus Bochum. Es folgten erste Schauspiel- und Regierarbeiten: 2016 inszenierte sie unter anderem „Der Wendepunkt“ von Klaus Mann im Maschinenhaus Essen, zwei Jahre später „Schöne Neue Welt“ im Theater an der Rottstraße in Bochum. Und ihr Herzensprojekt „Momo“, bei dem sie auch als Schauspielerin zu sehen ist, zeigt sie diesen Sommer erneut auf der Draußen-Bühne am Imbuschplatz.

Obwohl es immer wieder Verbindungslinien gab – lange Zeit hat Maria ihre beiden Leidenschaften voneinander getrennt, fühlte sich oft hin- und hergerissen. In ihrem neuen Stück verknüpft sie nun erstmals ganz bewusst das Theater mit der Jazzmusik. Und zwar nicht visuell, sondern konzeptionell. Bestimmte Parameter, die sie aus der freien Musik kennt, nutzt sie als Regisseurin für ihre Bühnenprojekt: die wenigen Regeln, die Spontanität, das wertfreie Herantasten an ein Thema. Maria mag das Forschende, das Unklare, das die Improvisation mit sich bringt. Und das Gefühl, als Gruppe etwas gemeinsam zu schaffen, auch wenn jede*r einzelne autark agiert. „Da gibt es kein Falsch“, sagt sie. „Da ist alles und jede*r genau richtig.“

http://www.maria-trautmann.de/

http://www.wirhattenwasmitbjörn.de

Text
Kristina Schulze
Fotos/Film
Markus J. Feger

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