
Auf dem kürzesten Weg quer durch die City führt ihr Weg zur Arbeit. Wie jeden Morgen ist Madeline von Foerster mit dem Fahrrad hergekommen. Von ihrer Wohnung am nördlichen Rand der Kölner Innenstadt nach Sülz im Süden, wo ihr Atelier liegt. Im Gepäck eine Tüte Kekse, die vielleicht ein bisschen zu sehr nach Reformhaus schmeckten, wofür sich die Künstlerin mit ihrem leicht amerikanischen Akzent entschuldigt. Der Liebe wegen sei sie vor knapp zehn Jahren aus den USA nach Köln gekommen, und mittlerweile liebe sie auch die Stadt, sagt Foerster und beginnt zu schwärmen. Nicht von den Leuten, den Läden, dem Rhein, den Museen, auch nicht vom Kölsch und den Kneipen. Sondern von den Kirchen und den „geilen alten Objekten“ dort. Die Reliquien in der romanischen Kuniberts-Kirche – verrückte Sachen wie Schädel mit Juwelen. Oder die Goldene Kammer in Sankt Ursula, wo menschliche Knochen die Wände pflastern – „absolut toll“.

Auch in die Wälder der Umgebung hat sich von Foerster verliebt. Allen voran in den Königsforst mit seinen Eichen und Buchen, den Heidemooren, Quellen und Bachauen. Schaut man sich so um im Atelier während sie spricht, dann fügt sich eines zum anderen. Der Topfpflanzen-Urwald, die ulkige Reliquienbüste auf dem Schreibtisch, das Regal, wo sich die Bände zu Alten Meistern, Botanischen Illustrationen und Kuriositätenkabinetten reihen. Auch aus Foersters Bildern an der Wand und auf der Staffelei spricht es laut und deutlich – jenes ausgeprägte Interesse für uralte Malereitraditionen und der Hang zum Morbiden. Alles ziemlich „spooky“, die Künstlerin sagt es selbst.
Auch die flämischen Maler des 15. Jahrhunderts haben es ihr angetan. Daheim in Kalifornien sah sie deren Malerei auf Abbildungen, erst später in New York lernte sie auch Originale kennen. Damit, so kann man wohl sagen, begann von Foersters große Unzufriedenheit. Denn alle Mühen und Versuche, eine ähnliche Präzision und Leuchtkraft zu erzielen, scheiterten. Auf die Lösung ihres malerischen Problems stieß sie 2005 unverhofft im Internet: eine Mischtechnik aus Ei-Tempera und Öl. „Das Tolle an dieser Methode ist, dass sie das Beste beider Techniken nutzt“, erklärt die Künstlerin. Doch mit ihrem Faible steht sie so gut wie allein da. Weltweit seien es vielleicht zehn Künstler, die professionell auf diese Art malten, schätzt sie. Wahrscheinlich schreckt der immense Arbeitsaufwand ab. Effizient ist anders – das weiß auch von Foerster.

Nur etwas für Nostalgiker? Wohl kaum. Denn der Zeit enthoben scheinen von Foersters Bilder allenfalls auf den ersten Blick, auf den zweiten erkennt man sehr deutlich ihre Heimat im Hier und Jetzt. Nehmen wir etwa den wunderschönen Seevogel, der seine Mahlzeit aus einem Kelch voll Plastikmüll pickt. Oder Toughie, den die Künstlerin feierlich in einer Reliquienmonstranz malte. Nicht irgendein langbeiniger Laubfrosch war das, sondern wohl der letzte seiner Art, und er verstarb unlängst im Botanischen Garten von Atlanta.
Immer wieder kreist Madeline von Foerster um solche Themen – die Natur, ihre Ausbeutung und unsere Entfremdung von ihr. „Soll ich Umweltaktivistin werden, oder soll ich Malerin sein?“, das habe sie sich zu Beginn ihrer Karriere wirklich gefragt. „Man kann schließlich nicht weggucken und die Welt untergehen lassen.“ Wenn sie bedrohte Pflanzen und Tiere festhält, denkt sie an die unsere Zeit prägende ökologische Krise. Und wenn sich von Foerster im Motivschatz vergangener Jahrhunderte bedient, dann freut sie sich an der Zeitlosigkeit jener Dinge, die „übriggeblieben sind“. Denkt man genauer darüber nach, so lässt sich auch in ihrer Maltechnik mit seinen vielen Schichten und mit feinsten Pinseln ein Kommentar erkennen: Unserer schnelllebigen Zeit begegnet die Künstlerin mit Muße und Langsamkeit. "Slow Painting" als Antwort auf den Turbo-Konsum.
Noch mehr Einrücke aus Madelines Atelier gibt es in unserer "https://story.kulturkenner.de/madeline-von-foerster#927"
