Schon als Kind hat Sigrid Zeevaert gerne geschrieben. Dass aus ihrer frühen Liebe zu Stift, Papier und Wörtern einmal ihr Beruf werden würde, stand für sie lange nicht zur Debatte. Stattdessen entschied sie sich erstmal für den sicheren Weg, studierte Grundschullehramt an der Uni Aachen. Erst ihr Examen brachte sie zum Schreiben zurück: Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit verfasste sie 1986 ihr erstes Kinderbuch. „Max, mein Bruder“, so der Titel, wurde gleich ein großer Erfolg – und ist es bis heute. Dabei ist sein Inhalt für ein Kinderbuch eher ungewöhnlich: Es handelt von der zehnjährigen Johanna, deren Bruder an Krebs erkrankt und stirbt.
Mehr als 30 Kinder- und Jugendbücher sowie einige Theater- und Radiostücke hat Sigrid Zeevaert inzwischen geschrieben. Viele wurden mit Preisen ausgezeichnet und international verlegt, es gibt Übersetzungen ins Japanische, Französische oder Koreanische. So unterschiedlich die vielen Geschichten auch sind – sie alle eint ihr realistischer Zugang zu großen, komplexen Themen: Liebe und Beziehungen, Grenzerfahrungen und Identität, erste Krisen und Verluste. „Ich möchte in meinen Büchern authentische Kindheitserfahrungen schildern“, sagt Zeevaert. In „Liebe, liebe Fanni“ beschäftigt sich die kleine Nina mit der Vergangenheit ihrer Familie während des Zweiten Weltkriegs. „Weiberkram?“, einer von Sigrid Zeevaerts Bestsellern, handelt von Jasper, der ständig Zoff mit seinen Schwestern hat. Und ihrem neuesten Buch „Mika, Tony und Jack“ erzählt Zeevaert von einer neu entstehenden Freundschaft - und dem Umgang mit Trauer. Als Erwachsene aus der Sicht und mit der Sprache von Kindern zu erzählen – darin liege der Reiz ihrer Arbeit. „Das schenkt auch mir als Autorin einen ganz neuen Blick auf das Leben“, sagt sie.
Jeden Tag um neun beginnt Zeevaert mit ihrer Arbeit - auch am Wochenende. Längst ist das Schreiben für sie eine Notwenigkeit geworden: „Wenn ich schreibe, geht es mir gut“, sagt sie. Zeevaert verzichtet auf Notizzettel und Plot-Skizzen. Die Ideen zu ihren Texten entwickelt sie im Kopf. Mit nur einem Finger tippt sie auf der Tastatur ihres Laptops. Der berühmte Flow, in dem sich die Wörter wie von selbst zusammenfügen, stellt sich aber auch bei Zeevaert nicht immer ein. „Schreiben ist manchmal sehr mühsam“, so die Schriftstellerin. Aber ihre langjährige Erfahrung hilft ihr, professionell damit umzugehen und einen Weg hinaus aus der Schreib-Flaute zu finden.
Vom ersten Entwurf bis zum fertig gedruckten Exemplar ist es ein langer Weg: Im Schnitt benötigt Zeevaert ein Jahr für ein Buch – und ist damit vergleichsweise schnell. Meistens arbeitet sie parallel an verschiedenen Texten. In ihrer Schreibtisch-Schublade liegen gleich mehrere angefangene Bücher, darunter ein erster Belletristik-Roman für Erwachsene. So gut wie fertig ist auch ein neues Buch, das sie mit den Corona-Hilfen des NRW-Kulturministeriums realisieren konnte. Darin fährt die zehnjährige Greta mit ihrer Mutter in ein norddeutsches Dorf, um eine alte Freundin und deren Kinder zu besuchen. Doch das beschauliche Leben in der Natur ist nur auf den ersten Blick harmlos: Die Kinder erleben rassistische Anfeindungen – und Greta eine erste zarte Liebesgeschichte.
Ein Buch zu schreiben bedeutet immer auch mit anderen in Kontakt zu treten, eine Beziehung zu den mehr oder weniger unbekannten Leser*innen herzustellen. Besonders spürbar werde das bei ihren vielen Lesungen vor Schulklassen oder in Büchereien und Buchhandlungen, erzählt Sigrid Zeevaert. „Kinder haben eine ganz natürliche, unbefangene Art sich mitzuteilen. Manchmal entsteht eine ganz enge Verbindung zwischen ihnen und mir. Das sind dann echte Sternstunden.“