Kirchen waren lange Zeit auch das bevorzugte Bauziel von Gottfried Böhm, dem jüngsten Sohn von Dominikus. Er wurde 1920 geboren; während sein Vater zugleich Musiker war, ist Gottfried auch gelernter Bildhauer – vielen seiner Bauwerke sieht man das skulpturale Denken an. Gottfried Böhms bekanntestes Werk ist die Wallfahrtskirche in Neviges sie bietet (neben dem Kölner Dom) gewiss eines der faszinierendsten Raumerlebnisse in Nordrhein-Westfalen.
Diese Kirche besitzt gewissermaßen zwei Körper: Der äußere ist ein geduckter, zu unregelmäßigen Wänden, Spitzen und Schrägen zerbrochener Block von mäßiger Größe. Der innere ist ein in die Höhe schießender, sich in immer neue Richtungen öffnender Raum von gefühlt doppeltem Ausmaß. Dieser Raum kennt keine Decke und kein Gewölbe, er schließt sich wie ein Kristall mit mehreren Firstpunkten in über 30 Metern Höhe selber.
„Geborgen wie die Romanik, erhoben wie die Gotik“, so müsse eine Kirche sein, hat Böhm einmal formuliert. Dem Beton, den er lange Jahre als Werkstoff bevorzugte, brachte er das Schweben, Streben und Fliegen bei. Für den Nevigeser Dom (1973), für sein Rathaus in Bensberg/Bergisch Gladbach (1967) sowie für die Hauptverwaltung Züblin in Stuttgart (1985) wurde Gottfried Böhm 1986 als damals erstem Deutschen der Pritzker-Preis verliehen; sozusagen der Nobelpreis für Architektur. Einige Sakralbauten sind heute umgewidmet - wie etwa eine Kirche in Hürth-Kalscheuren, die inzwischen als Galerie genutzt wird.
Böhm hat immer wieder Innenräume geschaffen, die wie Außenräume wirken, und umgekehrt - etwa den Felsendom in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs. Ansonsten ist Gottfried Böhms Handschrift eine, die im Laufe seines langen Lebens immer variierte, so als hätte er bei jedem Bau das Bauen neu erfunden. Das „Bauhaus“ hatte gefordert, Architektur müsse funktional sein; diesem Diktat ist Gottfried Böhm nie gefolgt. Im Gegenteil: Für ihn muss Architektur „Sinn besitzen“. Diese Haltung vermisse er bei der zeitgenössischen Baukunst oft. Sie war ihm immer zu eitel.







