Der Fotograf Albrecht Fuchs

Kunst
Martin Kippenberger legte sich für ihn ins Bett, der Kurator Kasper König posierte für ihn im Schlafanzug und Franz West auf seinem selbstentworfenen Sofa: Der Kölner Albrecht Fuchs hat wie kaum ein zweiter Fotograf seiner Generation so viele Künstler*innen porträtiert. Ein Politiker allerdings rannte ihm einfach davon – im wahrsten Sinne des Wortes.

Kisten über Kisten. Bis zur Decke hinauf. Gelb, sorgfältig beschriftet. Meterhoch. Albrecht Fuchs öffnet eine, dann noch eine. Mit Bedacht. Und kaum hat er die ersten Seiten seiner vielen, vielen, vielen Kontaktabzugsordner vor sich auf einem Tisch in seiner Kölner Altbauwohnung ausgebreitet, geht es los. Das Kopfkino. Mit echten Filmstars und falschen Erwartungen. Nein, auch eine Isabelle Huppert sei natürlich nur ein Mensch. Ein besonders zart wirkender allerdings. Sehr aufrecht, sehr graziös steht sie da, auf einem Hotelbalkon in Oostende. Ohne vermeintliche Pose und dann doch bis ins Kleinste kontrolliert. „Ihr Management hatte eigentlich nichts dem Zufall überlassen“, sagt Albrecht Fuchs und es klingt fast so, als habe er die große Huppert damals so ganz beiläufig am Rande von Dreharbeiten fotografiert. Für die Ausgabe der „Le Monde M“.

Wer die Aufnahmen des Kölner Fotografen kennt, hat ihre Besonderheiten gleich vor Augen: Nichts auf diesen Bildern scheint inszeniert zu sein. Selbst nicht bei einer Isabelle Huppert. Gerade das ist ihr großer Reiz: Die „Frankfurter Rundschau“ hat Fuchs einmal einen „Liebling der Künstler“ genannt. Denn die Bilder des Kölners leben von Natürlichkeit und Privatheit, fast Intimität. Wie er das hinkriegt? Fuchs winkt ab: „Eigentlich ist das so eher ein intuitiver Prozess“, sagt er bescheiden. Er sei während einer Porträtsitzung halt ständig im Gespräch mit den Künstler*innen und versuche dabei, ein Porträt zu fotografieren und kein Selbstporträt. Denn Inszenierungen beherrschen diese besonderen Menschen natürlich sehr gut. Die Frage also ist: Was steckt dahinter?

Natürlich kennt Albrecht Fuchs einige Künstler*innen sehr gut: Mit Johannes Wohnseifer etwa ist er seit Jahrzehnten eng befreundet. Oder mit Laurenz Berges, der heute selbst für ein Stück Fotografiegeschichte steht. Beide hatten Mitte der 80er Jahre an der Folkwang Universität der Künste gemeinsam studiert. Als Berges 1889 ein Praktikum bei der deutschstämmigen Fotografin Evelyn Hofer in New York bekommt, zieht Fuchs für ein halbes Jahr hinterher. Und bekommt Einblick in die damalige Szene: „Ich habe die Arbeiten von Evelyn Hofer, diese klassisch gesetzte Porträtfotografie, damals sehr zu schätzen gelernt“, sagt Fuchs, der 1964 in Bielefeld zur Welt kam, und wieder klingt es fast so, als sei auch seine heute so typische Bildsprache eher beiläufig entstanden: „Die Parameter, wie ich die Bilder aufnehme, haben sich eigentlich seit 30 Jahren nicht geändert.“ Fuchs fotografiert in Farbe, mit dem Stativ, ausschließlich mit vorhandenem Licht, heute fast nur noch digital, bis vor zehn Jahren vor allem aber mit einer analogen Mittelformatkamera.

In New York beginnt er, Freunde zu porträtieren, seine damalige Freundin, heutige Frau – eine gebürtige Amerikanerin, die mit ihm nach Köln zieht und eine Familie gründet. Aus seinem Umfeld heraus spricht er Künstler*innen wie Jürgen Klauke an, der Anfang der 90er Jahre gerade einen Lehrauftrag in Essen hat. 1993 trifft er den Komponisten Ennio Morricone in Rom. In einer derart palastartigen Wohnung, in der schnell klar wird, was Fuchs’ Fotografie auch so besonders macht: Er denkt in seinen Aufnahmen immer auch den Umraum mit. Zeigt den schwerreichen Musikgiganten in einer Wohnung voller opulenter Teppiche, Kissen und Dekor. Auf einem Foto posiert Georg Herold an einem Pool während eines Künstlerstipendiums in Los Angeles. Wie ein Monument an Selbstbewusstsein, so als würde ihm ganz Hollywood gehören. 1995 dann entsteht eine Serie, die Fuchs endgültig bekannt macht: Er trifft Martin Kippenberger im Hotel Chelsea in Köln, der ihn mit Jetlag und Kater ziemlich direkt in sein Hotelzimmer lotst – um sich ausgebrannt und müde kurzerhand vor dem eigentlich noch fremden Fotografen aufs Sofa und ins Bett zu legen.

Während des Lockdowns entsteht – mit Unterstützung des „Auf geht’s!“-Stipendiums des Landes NRW – eine Serie über Künstler*innen: Fuchs fotografiert etwa Julia Scher, die hinter einer Maske und einem zusätzlichen Visier nicht nur vom Tagesgeschäft, sondern auch von der Gesellschaft abgekoppelt wirkt. Wie isoliert. Viele Aufnahmen sind Auftragsarbeiten – und Familienporträts sozusagen eine weitere Spezialität: Auf Einladung der Familie Böhm fährt er aus dem umtriebigen Belgischen Viertel in Köln, wo er lebt, ins mondäne Marienburg. Das Zentrum des Bildes und damit der Familie ist schnell ausgemacht: Gottfried Böhm. Allerdings flankiert nicht nur von Böhms Frau und den geeinsamen Söhnen, sondern auch von der Bronzebüste seines Vaters. Ein Mehrgenerationenporträt.

Dass seine Ausstellung im Leopold-Hoesch-Museum in Düren nun „Album“ heißt, wirkt nur konsequent: Fortgeschrieben wird Albrecht Fuchs’ Setlist eigentlich ständig. Alle seine Fotos haben einen eigenen Sound. Klingen mal stärker, mal zurückgenommener – ein eindrucksvolles Wechselspiel zwischen Nähe. Und Distanz. Sein schwierigstes Motiv? Albrecht Fuchs überlegt. Am eiligsten hätte es mal Joschka Fischer gehabt. 1998 fotografiert er den damaligen Spitzenpolitiker für das SZ Magazin während eines Trainingslaufs. Eine Pause gönnt sich Fischer nicht – schon gar nicht dem Fotografen. Nach wenigen Minuten ist der Getriebene schon wieder verschwunden. Und die Intensität, die Anspannung der kurzen Begegnung, auf Fotomaterial gebannt.

Text
Annika Wind
Film/Foto
Markus J. Feger

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