An einem der ersten warmen Tage des Jahres steht Naomi Khimji-Feld am Fenster der Ein-Zimmer-Wohnung ihres Freundes David Joris alias Diggi und singt. Füllt den winzigen Raum mit der großen Herzenswärme von Gospel und Soul, während auf der vielbefahrenen Straßenkreuzung zu ihren Füßen der Kölner Großstadtverkehr vorbeirauscht. Gleich darauf schickt Diggi den Beat westafrikanischer Länder hinterher. „Jazzable“ klingt das, was aus er dazu auf seiner Gitarre spielt. Wenig später kommt ein lässiger Break, so als ginge es jetzt auf eine Südseeinsel. Und zumindest instrumental hat der 31-jährige Musikproduzent in seiner kleinen Wohnung ganz groß aufgefahren: Eine griechische Bouzouki reiht sich hier an eine Geige, ein Bass an mehrere E-Gitarren und Saiteninstrumente für Fado, Western oder Jazz.
Diggi beherrscht sie natürlich alle. Er hat an der Robert-Schumann-Musikhochschule in Düsseldorf Musik und Medien studiert, als Produzent für so unterschiedliche Leute wie den Musicaldarsteller Kevin Köhler, die kölsche Band Hanak gearbeitet und ist mit dem iranischen Superstar Shadmer Aghili auf Welttournee gegangen. Vor allem aber ist er beseelt von Black Music – und damit so etwas wie der „Partner in Crime“, wie er es lächelnd nennt, für Naomi, die schon lange als professionelle Sängerin ihr Geld verdient. Aber erst seit kurzem das singt, was nur ihr gehört – Songs, die nur für sie geschrieben sind. Die aus ihrem Leben erzählen. Und von den kulturellen Wurzeln ihrer Musik.
„Wir möchten mit unserem Label schwarze Kunst sichtbar machen“, sagt die 28-Jährige schlicht, aber schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass es die eine schwarze Musik gar nicht gibt. „Das einzige, was Schwarze gemeinsam haben, ist das schwarz sein." Afrobeats und R'n'B seien so divers wie die Kulturen, aus denen sie kommen – aus Ghana, Angola oder den Vereinigten Staaten. Ihre Anfänge liegen in Nigeria, wo Fela Kuti Ende der 1960er Jahre einen Mix aus Jazz, Funk, Rock und Yoruba-Folklore erfand. Hypnotisch und tanzbar.
"Unsere Musik handelt von unserem Leben und unseren Wurzeln. Von Schmerz, Glück, Themen, die uns beschäftigen“, sagt Naomi, die schon als Kind im Kirchenchor sang, dann als Teenager in einer Hip-Hop-Gruppe tanzte und ihre Karriere als Sängerin im Gospel begann, wo sie alles gelernt habe, was heute in ihrer R’n’B- Musik so wichtig ist – Stimmkontrolle, Atemtechniken und das singen von Harmonien und Chören.
Das ihre Musik auf deutsch sein sollte, war für beide klar: „Das ist die Sprache, in der wir uns auskennen. In der wir uns am besten ausdrücken können“, sagt Naomi. Ein Stück weit haben Künstler wie Patrice oder natürlich Joy Denalane den Weg für deutschen Soul geebnet. „Jetzt aber geht es darum, die Szene bekannter zu machen“, sagt Diggi, der R'n'B-Grooves mit Naomis stimmgewaltigen Balladen mischt, jazzy Bossa mit soulig-funkiger Dancefloor Music – für solch einen Mix seien Major Labels leider nicht wirklich offen. „Auch deshalb machen wir hier unser eigenes Ding“, sagt Diggi.
Naomis Vater ist Deutscher. Ihre Mutter kam mit zwölf aus Mosambik ins Rheinland. Ihr hat sie ihren ersten eigenen Song „Dein Licht“ gewidmet, der auch von Diskriminierung und von Vorurteilen erzählt. Davids’ Mutter ist Griechin, sein Vater stammt von der indonesischen Insel Ambon. „Von ihm habe ich die insulanische Gelassenheit“, sagt er und lacht. Wohl aber auch die große Liebe zur Musik, die er schon als kleiner Junge in der väterlichen Disco hörte. Seine frühesten Kindheitserinnerungen? Wände voller Schallplatten. Dazu der Auftritt einer Band als Ghana, die dem Kleinen eine Djembe schenkte, eine Bechertrommel aus Westafrika.
Neben Diggis winzigem Produktionstisch mit Laptop und Aufnahmegerät hebt eine griechische Ikone besänftigend ihre Hände. Wenige Schritte weiter haben sich gleich neben einem schlichten Futon balinesische Götter auf einer filigranen Wandschnitzerei ineinander verschlungen. Einen Culture-Clash könnte man diese schlichte Wohnung mit ihren wenigen Möbelstücken und den vielen Musikinstrumenten nennen. Der Sound, der hier entsteht, ist es ohnehin.
Es zeigt die beiden Kopf an Kopf, eng verbunden – durch die Musik. Im Zentrum: der Kopfhörer, den sich beide teilen. Ganz selbstverständlich. „Wir hatten schon alles vorbereitet, die Struktur unserer Zusammenarbeit besprochen, eine Managerin gefunden, Vertrage ausgearbeitet“, erzählt Naomi. Was aber fehlte, war bis zuletzt ein Name für ihr neues Label, der zu Afrobeats passt – und zu ihnen. Nun heißt es so, wie ihre Haare aussehen: nappy. Lockig. Eigenwillig. Und frei.