Das Licht zelebrieren – in der Christuskirche Bochum

KunstBochum
Eine Gemeinde hat sie nicht – ein Besuchermagnet ist sie trotzdem. Gemeint ist die Bochumer Christuskirche, die Baudenkmal, Kunstort und Konzertraum ist. Aber ihre Glocken nur einmal im Jahr ertönen lässt. Dafür 14 Minuten lang.

Unmittelbar neben dem Bochumer Rathaus liegt einer der vielseitigsten Konzertorte der Stadt. Die evangelische Christuskirche ist zwar ein Gotteshaus ohne Gemeinde, dafür ein herausragender Kulturort mitten in der Stadt. Zu verdanken hat sie das ihrem Pfarrer Thomas Wessel, der mit Mut und Ideen ein kulturelles wie geistiges Zentrum geschaffen hat. Wenn es nach Wessel geht, dann ist ein Gottesdienst dadurch geprägt, dass sich eine Gemeinde versammelt, um der Verkündung einer Botschaft zuzuhören. Die allerdings muss seiner Ansicht nach nicht von einem Pfarrer stammen, sondern kann auch genauso zu verstärkten Gitarren ins Mikro gegrölt werden. Peter Murphy und Ray Wilson haben hier schon gespielt, das slowenische Kunstkollektiv Laibach und die Mülheimer Horror-Jazzer „Bohren und der Club Of Gore“. Aber auch Ute Lemper, Konstantin Wecker und Bugge Wesseltoft. Die Bochumer Stadtkantorei hat hier eine feste Spielstätte und das international bedeutende Ensemble ChorwerkRuhr ist regelmäßig zu Gast. Sie alle mussten im Vertrag unterschreiben, dass Kreuz und Bibel gut sichtbar am Altar sind. Es ist und bleibt ein Sakralraum.

Auch außerhalb des Konzertbetriebes ist die Christuskirche einen Besuch wert. Sie liegt am „Platz des europäischen Versprechens“, auf den der Künstlers Jochen Gerz 63 Basaltplatten verlegen ließ, in die die Namen von fast 15.000 Bochumer*innen eingraviert sind. Jeder steht für ein Versprechen an Europa, das im Internet abgegeben werden konnte. Die erste Platte wurde im Inneren des Turmes verlegt, in dem sich eine Ehrenhalle für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges befindet. Gerz nimmt hier kritisch Bezug auf die Auflistung der „Feindstaaten“ im Wandmosaik.

Darüber hinaus gilt die Christuskirche als Meisterwerk des Architekten Dieter Oesterlen, der 1956 entschied, den neugotischen Turm der stark zerstörten Vorgängerkirche zu erhalten, aber durch ein neues Kirchenschiff zu ergänzen. Der von außen zurückhaltende Backsteinbau überrascht im Inneren durch eine kristalline Sichtbetondecke und eine spektakuläre, auf den Altar ausgerichtete Lichtführung. Die wandhohen Fenster stammen vom Darmstädter Bildhauer Helmut Lander. Es wird vermutet, dass Oesterlens Konzept ein Vorbild für Egon Eiermann war, der bei der Berliner Gedächtniskirche ebenfalls den kriegsbeschädigten Turm durch ein modernes Kirchenschiff ergänzte.

Und noch etwas macht die Christuskirche einzigartig: Ihre Glocken läuten nur an einem Tag im Jahr. Nicht an Weihnachten oder Ostern, sie rufen nicht zu einem Gottesdienst, sondern zum Gedenken. An jedem 11. September zwischen 14.46 und 15.03 Uhr sind sie zu hören. In genau der Zeit, in der die Flugzeuge 2001 in das World Trade Center in New York einschlugen. Als Erinnerung an die Opfer und zur Mahnung für jeden Menschen, gegen Terror einzustehen.

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