Unterwegs im Wunderland: Archäologisches Freilichtmuseum Oerlinghausen

OrteGeschichteOerlinghausen
Das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen ist der ideale Ort, um mitten in der grünen Landschaft des Teutoburger Waldes eine Zeitreise durch 13.000 Jahre Menschheitsgeschichte zu unternehmen. Entlang eines beschaulichen Rundweges führt die Dauerausstellung des geschichtlichen Wunderlandes mit Behausungen aus verschiedenen Menschheitsepochen durch die nordeuropäische Siedlungs-, Wohn- und Alltagskultur.

Zu Beginn der Tour berichtet ein altsteinzeitliches Rentierjägerzelt bereits von dem Nomadenleben und der Jagd um 12.500 bis 11.850 vor Christus: Die Museumsgäste packen hier die Sperrschleuder aus, nehmen den Gerbbehälter zur Hand oder ziehen Fäden durch präparierte Tierhäute, wenn sie sich etwa an einem steinzeitlichen Event-Tag den Gepflogenheiten früherer Wandervölker unter professioneller Anleitung nähern.

Sie lernen im Anschluss an das Erlebnisprogramm die baulichen Finessen unserer Vorfahren kennen, wenn sie Materialien wie Holz, Reet oder Baumrinde an zwei aufgebauten, ovalen Hütten anfassen. Umherziehende Gruppen nutzten ähnliche Behausungen bereits in der Mittelsteinzeit zwischen 6500 und 6000 vor Christus, um nicht den Naturgewalten unter freiem Himmel ausgesetzt zu sein – eindrucksvoll!

Darüber hinaus greift der Rundgang Themen wie die Sesshaftwerdung in der Jungsteinzeit (4500 bis 4000 v. Chr.), die bronzezeitliche Siedlungsbereitschaft und Waffenentwicklung (1550 bis 1200 v. Chr.) sowie die frühmittelalterliche Handwerkskunst auf. Zeitreisende jeden Alters können kulturelle Sprünge in den Jahrtausenden kinderleicht nachvollziehen, wenn sie in den sechs Themenbereichen über Rekonstruktionen den Zugang zu fremden Welten finden.

„Übersichtlich“, „ruhig gelegen“ und „gut organisiert“, so bewerten Gäste die idyllische Anlage am Waldrand von Oerlinghausen, die leider auch auf eine düstere Vergangenheit zurückblicken muss. Ursprünglich wurde die heutige Lern- und Bildungsstätte zur Zeit des Nationalsozialismus als „Germanengehöft“ gegründet. Um 1936 war sie das erste germanische Freilichtmuseum der Welt und zugleich ideologische Schmiede der SS-Jugend.

Die Einrichtung, die durch das Reichserziehungsministerium und durch den „Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte“ unterstützt wurde, prägte Schülergenerationen den Mythos von fleißigen, erfindungsreichen und tapferen Germanen ein; Dramen in historischen Kostümen führten Darsteller hier für die Gäste auf, und das Museumsteam zelebrierte Sonnenwendfeiern mit bis zu 1000 Jugendlichen gleichzeitig.

Obwohl dieses Kapitel nach Kriegsende abgeschlossen schien und 1961 von etwas ganz Neuem in der Bevölkerung und den Medien gesprochen wurde – dem Museum für Vor- und Frühgeschichte –, hielt sich die Germanenverehrung standhaft im Konzept. Das Museum stellte eine glatte, heile und saubere Germanenwelt dar, in der es keinen Platz für Zweifel an der gespiegelten „Wahrheit“ gab.

Erst nachdem die Anlage 1973 durch einen Brand komplett zerstört wurde und der Landesverband Lippe wie die Stadt Oerlinghausen in die Förderung des Trägervereins einstiegen, gab es Raum für Neues: Die wissenschaftlich fundierte Herangehensweise und die Hinwendung zur modernen Siedlungsarchäologie dominieren seitdem. Das zeigt auch ein zukünftiges Projekt des Museums, das dabei helfen soll, ein falsches Bild der Germanen zu korrigieren. Das Team plant, ein zweigeteiltes Haus zu errichten, das in einer Hälfte das NS-Inventar aus der Zeit der Museumsgründung beheimatet. Die andere Hälfte soll mit einer Ausstattung bestückt werden, die dem aktuellen Wissenstand entspricht. So möchte das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen zum einen eine neue Besucherattraktion schaffen, zum anderen aber auch mit der eigenen Vergangenheit aufräumen.

Archäologisches Freilichtmuseum Oerlinghausen, Am Barkhauser Berg 2-6, 33813 Oerlinghausen

Verwandte Inhalte

Mehr Kultur aus NRW mit unserem Newsletter

Kulturkenner patternKulturkenner pattern