1971 - Joseph Beuys fordert die Abschaffung des Numerus clausus

KunstBeuys
Joseph Beuys, seit 1961 Professor für monumentale Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf, gründete 1967 die Deutsche Studentenpartei, um das Schul- und Hochschulwesen vom Staat zu „befreien“. Es ist seine erste Initiative zur Erweiterung des Kunstbegriffes auf alle Lebensbereiche. Doch 1971 kommt es zum Eklat mit der Landesregierung NRW.

Beuys fordert die Abschaffung des Numerus clausus und des Staatsexamens für das künstlerische Lehramt. Denn jeder Mensch sei ein Künstler, der seine Talente und Fähigkeiten nutzen soll, um die Gesellschaft weiter zu entwickeln. Der Mann mit Hut glaubt, das verstaatlichte Hochschulsystem zerstöre Kunst und Kreativität.

Am 25. Februar beantragt Akademie-Direktor Eduard Trier beim Minister für Wissenschaft und Forschung, der damals Johannes Rau hieß, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Beuys. Doch Rau will nicht. Beuys erklärt am 14. Juli alle 142 abgelehnten Studienbewerber für zwei Probesemester als angenommen. Rau lehnt dies am 23. August ab. Das Aufnahmeverfahren, so das Ministerium, sei notwendig, damit die Akademie arbeitsfähig bleibe.

Der Wegbegleiter Johannes Stüttgen bezeichnet das Wintersemester 1970/71 in seinem Buch „Der Ganze Riemen“ als Beginn des Niedergangs an der Kunstakademie. Die Beuys-Klasse breitet sich über die Flure aus, ohne dass die Studenten wissen, wo sie hingehören. Es bildet sich ein linker, marxistischer Kader, dem es nicht um den erweiterten Kunstbegriff von Beuys, sondern um politischen Einfluss und Macht geht. Dem Institut fehlen Raum und Personal. Das Land reagiert und gründet im Oktober 1971 in Münster eine Ausbildungsstätte für Kunsterzieher als Außenstelle der Düsseldorfer Kunsthochschule, die 1987 als Kunstakademie Münster selbstständig wird.

Beuys gibt nicht klein bei. Im Wintersemester 1972/73 will er 127 abgelehnte Studienwillige aufnehmen. Rau droht im Falle einer Sekretariatsbesetzung mit Kündigung und lässt der Ankündigung Taten folgen: Am 10. Oktober 1972 wird die fristlose Kündigung ausgesprochen. Beuys bleibt mit Studenten über Nacht im Sekretariat am Eiskellerberg. Tags darauf räumt die Polizei die Räumlichkeiten. Das Land NRW spricht in einer Presseerklärung von Hausfriedensbruch, erklärt aber gleichzeitig, Beuys’ Entlassung stelle seine künstlerische Persönlichkeit in keiner Weise infrage. Beuys wiederum führt Klage: Das juristische Verfahren geht durch alle Instanzen.

Am 7. April 1978 erklärt der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts Kassel die fristlose Kündigung von Beuys für rechtswidrig. Der neue Wissenschaftsminister Reimut Jochimsen einigt sich daraufhin mit Beuys in einem Vergleich. Das Arbeitsverhältnis jedoch war zum 30. September 1973 beendet. Beuys kann sein Atelier bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres nutzen und seinen Professorentitel weiter führen. Sein Raum 3 wird zur Geschäfts- und Forschungsstelle der Freien Internationalen Universität (FIU).

Die Geschichte aber hat noch eine Fortsetzung. Johannes Rau ruft als Ministerpräsident am 11. Juli 1990 die Stiftung Museum Schloss Moyland ins Leben. Stifter sind die Schlossherren-Familie von Steengracht und die Brüder Hans und Franz Joseph van der Grinten, die einen umfangreichen Bestand an Beuys-Werken gesammelt haben. Das Land baut das Schloss wieder auf und sichert den Museumsbetrieb zu. Seit der Eröffnung im Jahr 1997 konzentriert sich das Joseph Beuys Archiv dort auf das künstlerische Schaffen des Künstlers und macht es dem Publikum in Ausstellungen und Publikationen zugänglich.

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