Denis Klatt: „Hinter jedem Tier steckt eine Bedeutung“

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Mit der Spraydose die Geschichte eines außergewöhnlichen Ortes erzählen. Mit großen Wandgemälden zum Nachdenken anregen und gute Laune machen: Das nimmt sich Street-Art-Künstler Denis Klatt alias „HifiOne“ jedes Mal aufs Neue vor, wenn er mit der Ausarbeitung eines neuen Murals beginnt. Der 1978 geborene Dortmunder hat bereits unzählige Flächen im In- und Ausland in bunte Anziehungspunkte verwandelt und an internationalen Festivals teilgenommen. Doch seine Hauptproduktionsstätte liegt weiterhin in seiner Heimat – dem Ruhrgebiet. Woran liegt das? Der Kulturkenner hat mit Denis Klatt über Wandkunst in der Region gesprochen.
Hallo Herr Klatt, Sie sind seit fast 30 Jahren in der Szene tätig und haben über 20 Murals in Städten wie Dortmund, Bochum oder Lünen gestaltet, die Kulturfans an unterschiedlichsten Ecken entdecken können. Was verbindet Sie mit den Städten im Ruhrgebiet und was davon spiegelt sich in Ihrer Kunst wider?
D.K.:
Ich kenne mich in meiner Heimat aus, weiß welche Hintergründe bestimmte Städte und Stadtteile haben. Das ist wichtig, um eine Bildwelt zu entwickeln, die den Gegebenheiten und Gegenständen gerecht wird. Ich beschäftige mich ausgiebig mit dem Ort und seiner Umgebung, bevor ich eine passende Geschichte schreibe. Manchmal baue ich persönliche Nuancen ein und berichte von Ereignissen, die mich in einer bestimmten Lebenssituation beschäftigen. Dabei ist entscheidend, eine oberflächliche und eine tiefgründige Ebene zu bedienen. Zum einen möchte ich, dass die Bilder einfach schön sind. Sie sollen in den Passanten positive Emotionen wecken. Vor allem Kinder sollen sich an dem Farbenspiel freuen. Zum anderen steckt hinter jedem Element eine Bedeutung, die auch mal gesellschaftskritisch oder düster sein kann. So entsteht Kommunikation.
Gibt es konkrete Beispiele, an denen Sie diese Dualität von Schönheit und Sinn genauer erläutern können?
D.K.:
Natürlich. Sie ist in jedem meiner Werke zu finden, das ich frei und ohne Vorgaben gestalten kann. Nehmen wir das Motiv mit der großen Blaumeise im Dortmunder Unionsviertel von 2020. Es befindet sich in direkter Umgebung zum Dortmunder U. Ich wohne in der Nähe, kenne mich also vor Ort bestens aus. Hier sind viele Blaumeisen unterwegs, die ich bei ihrem Flug beobachten konnte. Die Vögel stehen für mich zugleich für den Aufbruch und die Hoffnung. Das Gemälde zeigt einen von ihnen in einer kargen Wüstenlandschaft, die den Stillstand in der Kultur- und Gastronomie-Branche während der Corona-Zeit symbolisiert. Auf der rechten Seite ist ein geflügeltes Nashorn zu erkennen. Es ist das Wappentier der Stadt Dortmund, aber seine Flügel sind gestutzt. Es kann also derzeit nicht abheben. Ein Hammerhai im Himmelsmeer schon. Betrachtende können ihn in der oberen Bildmitte ausmachen. Er stellt eine neue Zeit in Aussicht, die demnächst anbricht.
Der Hai ist also auch ein Sinnbild für Erneuerung und Neubeginn. Wie kommt es zu dieser Interpretation und warum binden Sie häufiger Tiere in Ihre Murals ein, um auf Missstände oder gesellschaftliche Brüche hinzuweisen?
D.K.:
Surreal habe ich bereits immer gemalt, früher auch Menschen in surrealer Kulisse. Aber ich liebe Tiere. Der eine mag den Eisbären im Schnee, ich hingegen das Meer und seine Bewohner. Als Kind war ich fasziniert vom Weißen Hai, aber nicht nur als Jäger. Ich hatte ein GEO-Magazin mit vielen Informationen über ihn und wollte alles über den Raubfisch wissen. Das habe ich in meine Kunst überführt, bin jetzt aber breiter aufgestellt. So finden Wale oder Rochen Einzug in meine Werke, aber auch andere Exoten aus der Tierwelt. Der „Pott“-wal, der beim Wright-Festival 2017 in Bochum an der Franz-Vogt-Straße entstanden ist, ist ein gutes Beispiel dafür. Hier wollte ich sprachlich einen Bezug zur Region herstellen. Die untergehenden Zechentürme im Hintergrund des Bildes, die langsam im Ozean versinken, verweisen auf den Strukturwandel im Pott. Die Arbeit ist zu einer Zeit entstanden, als die Schließung des letzten deutschen Steinkohle-Bergwerks Prosper Haniel ihre Schatten bereits vorauswarf.
Der Strukturwandel zeigt sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Street-Art-Szene. Wie nehmen Sie die Öffentlichkeitswirkung der Kunstsparte heute im Vergleich zu früher wahr?
D.K.:
Ursprüngliche Adressaten und Rezipienten von Graffiti-Kunst waren die Sprayer selbst. Das hat sich stark verändert. Nun sind Schriftzüge, Wandgemälde und Co. für jeden zugänglich. Wirklich jeder kann an den Bildern Spaß haben. Die bunt gestalteten Flächen tragen zur Verschönerung der urbanen Landschaft bei, werten somit das Leben vor Ort auf. Ich kenne noch Zeiten, zu denen Künstlerinnen und Künstler aufpassen mussten, wohin sie sprühen, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Die Lage ist heute eine andere. Die Kunstsparte hat durch die sozialen Netzwerke stark an Beachtung gewonnen. Die zur Verfügung gestellten Flächen werden mehr. Die Präsentation übers Netz ist die beste Werbung für uns und unsere Auftraggeber.
Das klingt nach einer Gewinnsituation für alle. Zeigt sich das auch in den Städten des Ruhrgebiets? Sind hier mittlerweile regelrechte Street-Art-Hotspots entstanden?
D.K.:
Auch andere Städte in NRW und darüber hinaus sollten natürlich nicht unterschätzt werden. Düsseldorf und Köln sind Hochburgen. Einige Galerien in Dortmund haben jedoch gerade in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass die Szene hier belebt wird. Nicht jeder Initiator bekommt die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen sollten. Aber eigentlich kann man von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass zukünftig noch mehr Städte des Ruhrgebietes bunter sein werden. Ich persönlich wünsche mir in diesem Kontext auch für mich, an noch mehr Orten vertreten zu sein. Dann könnten noch mehr Menschen meine Kunst sehen.
Interview
Maximilian Hulisz/Tourismus NRW

Wer Denis Klatts Werke in ganz NRW entdecken will, schaut hier.

Hier geht's zur Website des Künstlers.

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